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Channel: Blog der Frankfurter Buchmesse » Sagenhaftes Island
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Einfach machen!

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Andri Snær Magnason bei einer Reykjavíker Veranstaltung.

Wenn Andri Snær Magnason sagt, dass ein Stück von ihm in Deutschland geblieben ist, dann meint er das gleich in mehrfacher Hinsicht. Denn im Oktober 2011, als Island Ehrengast der Frankfurter Buchmesse war, musste der Autor kurz nach den Messetagen während seiner Lesereise mit Krämpfen ins Erlanger Krankenhaus. Diagnose: Durchbruch des Blinddarms. Der Übeltäter wurde direkt in einer Operation entfernt.

Unter dem Motto „Sagenhaftes Island“ legte der Inselstaat mit seinen gerade mal 320.000 Einwohnern vergangenes Jahr einen glanzvollen Auftritt hin, was Buchmesse-Direktor Juergen Boos am Ende zur Frage bewegte: „Wann kommt ihr wieder?“ In diesem Jahr war Andri Snær zwar nicht in Frankfurt, doch noch immer erinnert er sich – trotz des etwas schmerzhaften Endes – gerne an die Zeit auf der Frankfurter Buchmesse.

„Es war viel besser, als ich ich es mir vorgestellt hatte“, sagt er heute, „und es war überwältigend groß“. Wir treffen uns im Kaffivagninn. Das Fischercafé direkt am Hafen von Reykavík ist einer der wenigen Orte, der sich über die Jahrzehnte kaum verändert hat. Ansonsten sind die rastlosen Isländer immer getrieben, Neues zu schaffen. In der Ferne glitzert zum Beispiel Harpa, das neue Konzerthaus. (Halldór Guðmundsson, der Direktor von „Sagenhaftes Island“, ist seit kurzem neuer Harpa-Chef.)

Fliegender Mann und fliegende Träume

Vergangenes Jahr berichtete Andri Snær im Ehrengast-Blog, warum er kein Deutsch spricht, und ich schrieb an dieser Stelle einiges über die Lebensart der Isländer, die sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass Kunst hier auf keinen hohen Sockel gestellt wird. Jeder, der etwas Kreatives machen möchte, tut es einfach – probiert sich aus. Ob es nun brilliant ist oder nicht, Hauptsache derjenige hat Spaß an seinem Projekt: sei es nun eine Performance, ein Gemälde oder ein Gedicht. Und wer ein Buch schreiben will, bringt es notfalls selbst heraus. Selfpublishing ist in Island kein neuer Begriff, sondern ganz normal. Die wenigsten Kreativen rechnen damit, von ihrer Kunst leben zu können.

Auch die meisten Kollegen von Andri Snær haben selbstverständlich Nebenjobs – sie arbeiten als Ingenieurin, als Angestellter beim Straßenbauamt, als Lehrer oder Journalisten. Offiziell hat der Schriftstellerverband 396 Mitglieder, der isländische Autor schätzt, dass mindestens 20 von ihnen durch Stipendien unterstützt werden und 20 weitere nur vom Schreiben leben können. „Viele isländische Autoren sind in mehreren Feldern gleichzeitig tätig. Sie arbeiten in den Bereichen Theater, Film, Lyrik, Visual Arts genauso wie sie ihrem ‘eigentlichen’ Beruf, dem Schreiben von Romanen“, sagt er und kritzelt dabei auf einem Stück Papier eine kleine Figur. Der „Flying Man“ ist sein Markenzeichen. Er komme vermutlich aus seinen fliegenden Träumen, sagt der 39-Jährige und malt weiter.

Der Hafen von Reykjavík

Auch im Wachzustand hat Andri Snær einige Träume und Wünsche, die er umsetzt – zum Beispiel, den Dalai Lama für ein Filmprojekt zu treffen oder eine CD mit historischen Aufnahmen alter Frauen herauszubringen, die isländische Schlaflieder singen. Der Ehemann einer Krankenschwester und Vater von vier Kindern (im Alter zwischen fünf und 15 Jahren), kann seit der Studienzeit ausschließlich von seiner Kunst leben. Es ist für ihn ein Privileg. Alle weiteren Projekte sind Teil seiner weiteren Leidenschaften und Interessen.

Andri Snær Magnason ist heute einer der berühmtesten und erfolgreichsten Schriftsteller Islands. Auf der Insel im Nordatlantik, wo sogar der Präsident geduzt wird, ist zwar jeder „einer der besten“ in einer bestimmten Sache, doch bei dem Autor kann man tatsächlich guten Gewissens davon sprechen. Der Isländer publizierte schon eine Reihe von Lyrikbänden, Romanen, Theaterstücken und Sammlungen von Kurzgeschichten. Das Kinderbuch „Die Geschichte vom blauen Planeten“ wurde in über 25 Sprachen übersetzt und fürs Theater adaptiert.

Sein Sachbuch „Draumalandið“ (Das Traumland), in dem er die in Island ansässige Aluminium-Industrie angreift und die Zerstörung der Natur kritisiert, erregte 2006 großes öffentliches Interesse und wurde 2009 verfilmt. Für sein Engagement zu diesem Thema erhielt  Andri Snær den Kairos-Preis der Alfred Töpfer Stiftung. Das Buch erschien 2011 in deutscher Übersetzung bei Orange-Press unter dem Titel „Traumland. Was bleibt, wenn alles verkauft ist?“

Autor, Filmemacher, Umweltaktivist, Poet und Kinderbuchautor. „Was bist du denn nun?“, fragen ihn manchmal sogar einige der sonst so flexiblen Landsleute. Und sagen, er solle sich doch mal entscheiden. Seine Antwort darauf: „Warum? Ihr lest doch auch an einem Tag ein Buch und schaut euch später einen Film an.“ 2008 organisierte der Autor zudem mit Björk das Protestkonzert „Náttúra“, Natur, in dem sie auf deren Ausbeutung hinwiesen. Denn Europas größtes Staudammprojekt wurde im Osten Islands in ein unberührtes Gebiet gebaut. Zu dieser Zeit spürten viele Isländern erstmals, dass ihre Natur doch nicht unendlich ist. Zum kostenlosen Konzert kamen 30.000 Besucher. Also rund ein Zehntel der Bevölkerung.

Des Weiteren ist Andri Snær Mitglied von Toppstöðin, einer Grassroot-Initiative, die im ehemaligen Elektrizitätswerk von Reykjavík nachhaltige kulturelle und sozioökonomische Projekte entwickelt. Obwohl der Autor einer der größten Kritiker der einheimischen Energiepolitik ist, erlaubte das städtische Energieunternehmen ihm und seinen Mit-Initiatoren das Gebäude kostenlos zu nutzen.

2011 auch auf Deutsch erschienen: die Bónus-Supermarktgedichte

In Island findet man eben kreative Lösungen und geht manchmal ungewöhnliche Wege – selbst bei der Suche eines Verlegers: 1996 veröffentlichte Andri Snær in Island die Bónus-Supermarktgedichte. Bónus ist eine Discount-Kette, deren Logo ein grinsendes rosa Schweinchen auf gelbem Hintergrund ziert. Hier kauften er und seine Kommilitonen stets ein, weil es so billig war. Zum Spaß schrieb er zur gleichen Zeit kurze Gedichte, um seine Freunde zu unterhalten, und weil es günstige Geschenke waren. Er fragte sich, was das geschmackloseste sei, was man mit Poesie machen kann. „Wir tranken und aßen die Bónus-Produkte, die Gedichte fehlten noch, um mein Bónus-Leben zu vervollständigen.“

Eines Tages ging er mit einigen der Gedichten zum Sohn des Bónus-Chefs, Jón Ásgeir Jóhannesson. Das Büro lag in der gleichen Straße, in der er wohnte. Also spazierte er rein, legte ihm eine Kopie vor und sagte, er würde später wiederkommen. Kurze Zeit darauf erschien der erste Band und wurde in den Filialen des Discounters verkauft. Der Unternehmer ließ den jungen Autor denselben Vertrag unterschreiben wie einen Safthersteller: „Für durch den Genuss der Ware entstehende Schäden ist der Produzent verantwortlich“, stand dort. Das Buch wurde ein Bestseller. Waren seine Freunde damals nicht geschockt, dass er, der Poet, nun in einem Discounter verkauft wird? „Nein, sie verstanden den Spaß“, sagt er.

Vor vier Wochen hat der Autor seinem isländischen Verleger das zehnte Werk, ein Märchen, abgegeben. „Es ist auf jeden Fall eines der zehn besten Bücher, das ich geschrieben habe“, scherzt er. Wie wichtig ist ihm eigentlich Geld? „Wenn ich das machen kann, was ich möchte, dann bin ich zufrieden. Hätte ich zu wenig Geld, könnte ich nicht als Autor arbeiten. Zu viel würde mich faul machen.“ Die Unterstützung des isländischen Staates sei sehr wichtig für Schriftsteller. „Deshalb fühle ich oft, dass ich eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft oder Gemeinschaft habe – eine gewisse Verantwortung.“

Der Zusammenhalt in einer überschaubaren Gesellschaft wie Island ist ohnehin wichtig. In der Kunstszene, wo das Geld stets knapp ist, herrscht oft das Prinzip der Tauschwirtschaft: „Das Praktische ist, dass in unserer kleinen Künstlerclique jeder jedem einen Gefallen schuldet“, sagt mir mal die Künstlerin Ásdís Sif Gunnarsdottir und vergleicht es zum Spaß mit der Mafia. „Man kann eigentlich nicht Nein sagen.“ Und so probieren die Isländer sich weiter aus – ihr Mut, sich kreativ auszuleben ist durchaus ansteckend.


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